Rotlicht, Rocker und Ganoven

Rotlicht, Rocker und Ganoven

Erfurt. Es fehlen nur wenige Tage, dann würde sich das Verlesen der Anklageschrift im Erfurter Rocker-Rotlicht-Prozess erstmals jähren. Denn Freitag, den 13. November, trug die auf organisierte Kriminalität spezialisierte Staatsanwaltschaft Gera am Landgericht Erfurt erstmals vor, weswegen die fünf Angeklagten bestraft werden sollten. Das Verfahren gegen einen sechsten Beschuldigten war abgetrennt worden. Er war offenbar bereit, gegen die übrigen Angeklagten auszusagen. Einige von ihnen kamen aus der Rockerszene, andere aus dem Rotlichtmilieu. Die Palette der Straftaten reichte vom Diebstahl von Radladern, dem Verschwinden gemieteter Wohncontainer ohne einen möglichen Schaden ersetzt zu haben, bis hin zur beabsichtigten Übernahme eines Erotikclubs und des Abfackeln eines Autos.

Aber auch ein Banküberfall im Dezember 2013 in Roßleben gehört zu den Straftatvorwürfen und das dreiste Plündern des Geldautomaten im Erfurter Bordell „Arabella“ im Januar 2012. Die angeklagten Taten liegen teils bis zu sechs Jahren zurück und umfassen die klassischen Delikte im Rocker- und Rotlichtmilieu: Sie reichen von mehrfachem Diebstahl im besonders schweren Fall über Unterschlagung, Brandstiftung bis hin zu räuberischer Erpressung und gefährlicher Körperverletzung.

 Doch seit Verlesen der Anklage wurde keineswegs intensiv verhandelt. Das Verfahren platzte im Januar. Eine Schöffin erkrankte. Lars W., der Hauptangeklagte und frühere Betreiber des „Arabella“, musste einige Wochen später aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Diesen Freitag soll der Prozess nun erneut vor dem Landgericht Erfurt beginnen. Das bedeutet, dass das Verfahren noch einmal ganz von vorn – mit dem erneuten Verlesen der Anklage – aufgerollt werden muss. Die Staatsanwaltschaft Gera hatte diese im Juni des Vorjahres beim Landgericht vorgelegt. Spannend ist, wie die Verteidiger diesmal auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft reagieren. Denn diese liegen inzwischen ein weiteres Jahr zurück, was bei möglichen Entscheidungen des Gerichts sicherlich zu Gunsten der Angeklagten zu berücksichtigen wäre.

Die Entlassung von Lars W. aus der Untersuchungshaft deutet drauf hin, dass die Ankläger nach dem Platzen des Prozesses offensichtlich die Fortdauer seines Freiheitsentzugs nicht mehr ausreichend begründen konnten. Womöglich lassen sich einige der ursprünglichen Vorwürfe so gar nicht mehr halten. Das aber wird sich erst nach der Wiederaufnahme der Verhandlung zeigen. Zudem hat das Landgericht Erfurt fast zehn Monate ins Land gehen lassen, um mit der Verhandlung gegen die Angeklagten erneut zu beginnen. Sicherlich wechselte in dieser Zeit auch der Vorsitzende Richter der zuständigen 2. Strafkammer. In der Rocker- und der Rotlichtszene Thüringens ist es in den vergangenen Jahren vergleichsweise ruhig geblieben. Die „Hells Angels“ treten in Erfurt gar nicht mehr in Erscheinung. Auch die Bandidos in Oberweimar fallen kaum auf. Anfang April hatten sie in ihrem Quartier die Saison mit einer Party eröffnet. Dazu waren etwa 150 Rocker aus dem gesamten Bundesgebiet angereist. Die Polizeikontrollen ergaben außer einem fehlenden Führerschein nichts Auffälliges.

 

 

 

Dieser Beitrag erschien mit einem Photo heute in der Thüringer Allgemeine.

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