Die Rockerkutte

Die Rockerkutte

Die Rockerkutte – oder: Öffentliche Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins

Es begründet – zumindest nach dem bis zur letzten Reform geltenden Recht – keine Strafbarkeit wegen öffentlicher Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins, wenn ein Mitglied eines nicht verbotenen Hells Angels-Charters eine Kutte mit Hells Angels-Kennzeichen trägt.

Dabei ist der Bundesgerichtshof zumindest im Hinblick auf den Schriftzug “Hells Angels” und das Totenkopf-Symbol davon ausgegangen, dass es sich hierbei um Kennzeichen auch der verbotenen “Hells Angel Charter” handelt. Das Mitglied eines anderen M- C-Charters “verwendet” diese Kennzeichen auf seiner Kutte nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aber jedenfalls nicht im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG. Insoweit gilt:

Diese Strafnorm bedarf aufgrund ihrer weiten Fassung mit Rücksicht auf verfassungsrechtliche Anforderungen – nicht zuletzt mit Blick auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG – einer am Schutzzweck der Norm orientierten einschränkenden Auslegung. Danach sind Kennzeichenverwendungen, die dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderlaufen, von dem Tatbestand auszunehmen. Bei der Prüfung, ob die Verwendung eines Kennzeichens auch einer verbotenen Organisation dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderläuft, kann in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch meist gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder zu anderen, nicht zu beanstandenden Zwecken verwendet wird. Der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt ist vielmehr anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles zu ermitteln1.

Daran gemessen lief der Gebrauch der in Rede stehenden Kennzeichen durch das Mitglied eines anderen Hells Angels-Charters dem Schutzzweck des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwider. Insoweit ist wie in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.07.20152 zugrunde liegenden Fall zu berücksichtigen, dass die gegen die verschiedenen “Charter” der “Hells Angels” ausgesprochenen Vereinsverbote nicht die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation der “Hells Angels” betreffen, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderliefen. Dementsprechend sind die übrigen “Charter” der “Hells Angels” nicht verboten; sie tragen freilich gleichermaßen mit dem Schriftzug “Hells Angels” und dem Totenkopf-Symbol Kennzeichen ihrer Vereine, die auch Kennzeichen der verbotenen “Charter” waren. Durch die Hinzufügung einer unmissverständlich auf eine nicht verbotene Untergliederung hinweisenden Bezeichnung – wie hier “Hannover” und “North Region” – ergibt sich aus dem maßgeblichen Gesamtzusammenhang des Kennzeichengebrauchs entgegen der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung indes eindeutig, dass das Mitglied des anderen Charters die betreffenden Kennzeichen gerade nicht als solche der verbotenen “Charter”, sondern als Kennzeichen von Unterabteilungen verwendet hat, die nicht mit einer Verbotsverfügung belegt sind.

Der Einwand, dass der Zusatz “North Region” keine eindeutige Abgrenzung von dem verbotenen “Hells Angels Charter” in Hamburg darstelle, weil nicht erkennbar sei, um welchen Ort es sich dabei handele, und auch Hamburg im Norden Deutschlands liege, geht fehl. Maßgeblich ist allein, dass nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unter der Bezeichnung “North Region” ein nicht verbotenes “Charter” der “Hells Angels” gegründet wurde. Daraus, dass es sich bei der Gründung des 1983 verbotenen “Hell’s Angels Motorclub e. V. Hamburg” zunächst um den einzigen Ortsverein der “Hells Angels” in Deutschland handelte, dessen Mitglieder sich deshalb als “Hells Angels MC Germany” bezeichneten und auch außerhalb von Hamburg Straftaten begingen, folgt für den Bundesgerichtshof nichts anderes.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 12. Januar 2017 – 3 StR 364/1

 

Gefunden bei Die Rechtslupe

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